Im Trend: Ist vegane Kosmetik wirklich besser?

Vegetarier, Veganer, Frutarier – die Palette ist breit, wenn es um Ernährung geht. Aber neuerdings geht es gar nicht mehr nur um die Ernährung und darum, was man mit gutem Gewissen essen kann, sondern es geht um eine Lebenseinstellung. Um eine Grundhaltung, die alles Leben schützt, die Respekt vor der Natur, vor dem Leben, vor unserem Planeten ausdrückt. Und eine solche Haltung darf sich nicht nur in der Wahl von Kaffee Latte Soja fettarm zum Mitnehmen (anstelle eines ganz profanen Milchkaffees) zeigen, sondern muss alle Lebensbereiche umspannen. Denn wer kann sich schon aus moralischen Gründen vegan ernähren, aber mit Lederschuhen Auto fahren? Oder sich mit Melkfett die Füße weich cremen? Oder auch nur einen herkömmlichen, mit Tierversuchen behafteten Nagellack tragen?

Vegane Kosmetik ist nicht nur hip, sondern sie ist eine Frage von Ehrlichkeit, von Selbstrespekt und von Verantwortung. Aber selbst wenn es nicht um tiefe philosophische Fragen zum Thema Recht auf Leben, Tier oder Pflanze, Mensch und Natur, Umweltschutz und Klima geht, sondern ganz einfach nur um den Zeitgeist, ist vegane Kosmetik in. Warum ist das so? Es kommen einige Gründe zusammen.

Keine Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs, keine Tierversuche

Vegane Kosmetik ist mehr als nur frei von tierischen Fetten. Auch andere Inhaltsstoffe wie Bienenwachs, das zwar nicht aus Tier gemacht wird, aber von Tieren produziert wird, darf nicht in den Kosmetika enthalten sein, wenn “vegan” daraufsteht. Milchsäure, sollte man meinen, fällt dann auch weg – aber hier liegt die Sache anders. Milchsäure in Kosmetika wird nicht aus tierischer Milch hergestellt, sondern synthetisch gewonnen und ist damit in veganer Kosmetik durchaus erlaubt und in den Produkten von Weleda beispielsweise auch verwendet. Vegane Kosmetik kann aber noch mehr: Sie wird grundsätzlich nicht in Tierversuchen getestet. Wer einmal gesehen hat, was Hautcremes, Nagellackentferner und Mascara mit einem Kaninchen machen können und unter welchen Bedingungen die Labore Tiere halten, der hat normalerweise nicht mehr viel Freude an Kosmetika.

Firmen wie The Body Shop haben schon vor vielen Jahren darauf reagiert und verzichten bei allen Produkten auf Tierversuche. Nun könnten findige Menschen fragen, ob der Versuch an Menschen besser sei. Die Antwort ist eindeutig: ja. Denn auch an Tieren getestete Kosmetika müssen danach an Menschen getestet werden und dürfen nicht einfach in den Handel gelangen – das Tier ist also einfach nur vorgeschaltet, es ersetzt den Menschen nicht. Damit wird das moralische Problem, das Tierschützer mit nicht-veganen Pflegeprodukten haben, ziemlich deutlich.

Keine einheitliche Kennzeichnung vorhanden, statt dessen verwirrende Werbung

Pflanzenkosmetik ist schwer zu identifizieren. Zwar werben viele Hersteller mit Aufdrucken, die ausschließlich pflanzliche und biologisch abbaubare, umweltfreundliche Inhaltsstoffe suggerieren, aber ein Blick auf die Inhaltsstoffe zeigt oft, dass die Creme, der Lippenstift oder das Shampoo eben doch einige andere Stoffe enthalten. Es gibt nur wenige verlässliche Siegel, die geschützt sind und wirklich tierversuchsfreie Kosmetik ohne tierische Inhaltsstoffe garantieren, und diese Siegel werden von den Firmen nicht immer verwendet. Allerdings gibt es Listen von Tierschutzvereinen, Bloggern und Journalisten, die online einsehbar sind und aufzeigen, welche Produkte wirklich vegan sind.

Wer sich daran orientiert und wirklich konsequent nur vegane Produkte verwenden will, sollte darauf achten, dass die Listen regelmäßig aktualisiert werden. Denn die Hersteller ändern ihre Rezepturen von Zeit zu Zeit. Online einsehbar sind auch die verschiedenen Kennzeichnungen der Produkte, die Kriterien, nach denen die Siegel vergeben werden, können recherchiert werden. Kontrollierte Naturkosmetik ist etwas anderes als die Vegane Blume, die sich wiederum vom Schriftzug “Vegan”, umrundet von einem grünen Blatt an langem Stiel, unterscheidet.

„Ohne“ ist das neue „mit“

Dass sich der Markt an den Konsumenten orientiert, ist nur bedingt der Fall. Es gibt momentan nicht auffällig mehr vegane Kosmetik in den Drogerien als vor einigen Jahren, trotzdem wird wohl jeder und jede zustimmen, dass vegane Pflegeprodukte momentan irgendwie im Trend liegen. Das liegt zum Teil an der deutschen Mentalität – Natur ist gut, wird uns von Politik und Wirtschaft seit vielen Jahren erzählt, und das hat sich so langsam als Basiswissen eingeschlichen. Ob das so immer und bedingungslos korrekt ist, steht auf einem anderen Blatt. Fakt ist jedoch, dass sich seit einigen Jahren Produkte besser verkaufen, wenn das Verpackungsdesign und die Werbung suggerieren, es würde sich um natürliche Produkte handeln, die nicht nur wenig chemisch veränderte Zutaten enthalten, sondern zudem noch gut für Umwelt und Klima sind.

Denn was für die Natur gut ist, muss ja irgendwie auch für die Gesundheit gut sein – sollte man meinen. Dementsprechend wird mit Schlagworten wie “pflanzlich”, “natürlich”, “grün” und “ökologisch” geworben, was das Zeug hält. Was überall präsent ist und so wichtig, dass man es groß auf die Produkte drucken muss, das kaufen Menschen gerne. Dementsprechend boomt alles, was irgendwie “grün” wirkt. Diese Mode lässt sich auch in Sachen Kleidung und Nahrungsmittel beobachten. Während es viele Jahre lang normal war, dass etwas mit “mehr” besser war, ist jetzt “ohne” modern. Ohne Gluten, ohne Lactose, ohne künstliche Konservierungsstoffe, ohne Geschmacksverstärker. In Sachen Pflegeprodukte heißt das “ohne tierische Inhaltsstoffe” – was mit tatsächlich veganen Produkten nicht unbedingt gleichzusetzen ist.

Für die Gesundheit gar nicht so wichtig

Ob Pflegeprodukte vegan sein müssen oder nicht, darüber lässt sich streiten. Es konnte bislang kein Nachweis erbracht werden, dass tierische Fette in Cremes der Haut wirklich immer schaden, umgekehrt steht aber auch noch der Nachweis aus, dass rein pflanzliche Produkte tatsächlich besser sind. Das heißt nicht, dass es egal ist, ob man vegane oder herkömmliche Pflegeprodukte benutzt, sondern es heißt nur, dass sich die Frage rein wissenschaftlich bislang nicht klären lässt. Geklärt und faktisch nachweisbar ist allerdings, dass die derzeit betriebene Tierhaltung Umwelt, Klima und Mensch Schaden zufügen und dauerhaft nicht haltbar ist.

Indirekt verweist dieser Umstand darauf, dass vegane Kosmetik durchaus Sinn machen könnte. Nun steht da aber noch etwas anderes im Raum: Was ist mit Paraffinen und Silikonölen, die oft genug in Kosmetikprodukten enthalten sind und zwar nicht tierischen Ursprungs sind, sondern auf die Nutzung von Erdöl zurückgehen? Diese Inhaltsstoffe pflegen Haut und Haar, sonst wären sie nicht in der Kosmetik. Aber ist das in Zeiten des Klimawandels, des Umweltschutzes eher vertretbar als tierische Inhaltsstoffe in Pflegeprodukten, zumal unter dem Gesichtspunkt, dass es sehr gut ganz pflanzlich geht? Am Ende steht die Glaubensfrage: Was ist mir ganz persönlich die Körperpflege wert? Kann und will ich mich in moralische, ethische, philosophische Diskussionen verwickeln lassen, wenn ich Zahnpasta kaufe?

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